Der Wahre Helmut
Eine Freiburger Straßenmusik- und Musikkabarettgruppe, die Schulz
1990 zusammen mit drei anderen Musikern gründete und
mit der er bis zur Auflösung 1997 in ganz Deutschland auftrat.
Zu
den Gründungsmitgliedern gehörten außer
Schulz (Akkordeon, Gesang) Johannes D. (Gitarre, Gesang), Ulrike
Schmitt (Saxophon, Gesang) und Anette Rüpell (Geige, Gesang).
Seit 1991 waren Gitarre und Saxophon doppelt besetzt (zunächst
mit Peter Ternes, später
mit Ellen Koppitsch an der Gitarre und zunächst mit Wolfgang
Lindenfelser, später Veronica
Reiff am Saxophon), so daß die Gruppe in den verschiedensten
Besetzungen auftreten konnte, meist aber zu dritt oder zu viert.
Die Gruppe bezeichnete ihre Musik als "Neue
deutsche Folxmusik" und trat anfangs hauptsächlich auf
der Straße
auf, verlagerte ihr Wirken dann jedoch immer mehr auf die Bühne,
wo sie ihre Lieder zu einem Musikkabarett-Programm verfeinerten.
In den Liedern ging es um den deutschen Alltag: Es gab Lieder
über Arbeit, Autos, Ausländerhaß, über Konsum,
Klauen, Schwarzfahren,
über Umwelt, Wahlen, Widerstand, über Jesus, Helmut,
Lieselotte,
über Utopien, Träume, Lebenslust und vieles mehr.
Die Musik bewegte sich zwischen Folk, Blues, Reggae,
Tango, Walzer und Rap mit drei- bis vierstimmigen Gesang, z.T.
A Capella. Eine Stärke der Gruppe war die Einbeziehung des
ganzen Publikums, das gerne bereit war, ganze Refrains mitzusingen
oder Deutschlandfähnchen
zu schwenken.
Veröffentlichungen
1993 war die Gruppe mit dem Stück "Der Ohnmacht herzhaft Lachen"
der deutsche Beitrag auf der CD "Organic Chaos", einem Sampler
internationaler Umweltlieder von EYFA. 1995 erschien ihr Lied "Ausländerfreund"
auf dem CD Sampler "Xenos - Fremde brauchen Freunde",
im Rahmen eines Liederwettbewerbs des Hamburger Ausländerbeauftragten,
der 1994 im NDR Fernsehen live übertragen worden war.
Eine der bekanntesten Lieder der Gruppe ist der Blues "Güteklasse
A", in dem es um den typischen deutschen Lebenslauf geht.
Der Wahre Helmut veröffentlichte im Eigenverlag drei verschiedene
Musik-Cassetten (inzwischen auch auf CD oder als MP3 zu erhalten):
- Neue deutsche Folxmusik
- Live! (1991, neu aufgenommen 1992)
-
Neue deutsche Folxmusik -
Teil 2 (1992)
- Am Leben - Neue deutsche Folxmusik
- Teil 3 (1993)
Die Gruppe sang zunächst Lieder von anderen Gruppen aus der
RAK (Rotzfreche
Asphalt Kultur) einem losen Zusammenschluß kritischer
Straßenkünstler/innen, begann dann aber immer mehr eigene
Texte und später auch eigene Musik zu schreiben. Einige
der Liedtexte gibt es Hier.
Auftritte
Der Wahre Helmut war in Freiburg sehr
bekannt und beliebt. Bei den Straßenauftritten bildeten sich z.T. große Kreise von Zuschauern
um die Gruppe und es entstand oft eine Konzertatmosphäre, d.h.
die Leute blieben stehen und hörten bis zum Ende des Programms
zu. Aber wegen der restriktiven Regelungen für Straßenmusik in
Freiburg und in anderen Städten gab es auch immer wieder Auseinandersetzungen
mit der Polizei und Ladenbesitzern, die z.T. zu Bußgeldbescheiden führten (und zu neuen Liedern!).
Die Gruppe tourte mehrere Male mit ihrer Straßenmusik durch
Deutschland und spielte dabei u.a. in Dresden, Karlsruhe, Konstanz,
Linz (Österrreich),
Marburg und beim Straßenmusiksonntag in Bräunlingen.
In Bräunlingen
wurde Der Wahre Helmut auch begeistert gefeiert bei den Auftritten
im Bregtäler vor z.T. über 250 Zuschauern. 1993 trat
die Gruppe beim AufTakt-Festival in Magdeburg vor 1500 Menschen
auf. Mit ihren sozialkritischen Liedern war sie ein gern gesehener
Gast bei den Gewerkschaften, spielte u.a. bei Streiks der IG Metall,
oft bei den 1.Mai-Feiern des DGB oder bei der GEW.
1992 wurde Der Wahre Helmut Preisträger beim Rektor Kleinkunstpreis
in Freiburg.
1996 gelang es einem Veranstalter, die linksalternative
Musikkabarett-Gruppe als eine Art "Kuckucks-Ei" bei einer
Veranstaltung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA) unterzubringen. Die versammelten Arbeitgeber waren angesichts
der kritischen Liedtexte ziemlich sauer und wollten keine Zugabe,
was die Frankfurter Rundschau süffisant zur Schlagzeile "Arbeitgeber
sagen melodischen Klassenkampf kurzerhand ab" verarbeitete
(FR vom 4.5.1996).
Weitere Fotos der Gruppe: Hier
Auflösung
Die Mitglieder der Gruppe, die
als StudentInnen zusammenfanden, lebten später verstreut
in ganz Deutschland und der Schweiz und gingen dort ihren erlernten
Berufen (Lehrer, Arzt, Psychologe) nach. Nur Schulz, Gründer
und Kopf der Gruppe, blieb in Freiburg und machte die Kultur zu
seinem Beruf: Er besuchte von 1992-94 eine Schauspielschule und
wurde 1994 freiberuflicher Schauspieler, Theaterpädagoge
und Regisseur. Am Ende waren die organisatorischen
Probleme und die Entfernungen zwischen den Mitgliedern zu groß,
so daß nicht
einmal mehr gemeinsame Proben-Wochenenden möglich waren.
Deshalb beschloß
die Gruppe 1997 schweren Herzens, sich aufzulösen. Es gab
zwei Abschiedskonzerte: Eines am 26.4. im Bregtäler in Bräunlingen
und eines am 8.11.1997 in Freiburg, im Theatersaal der Alten Uni,
bei der alle sieben damaligen und ehemaligen Musiker/innen mitspielten.
Die Gruppe verkündete, sie hoffe, daß sich
der echte Helmut ein Beispiel an dieser Auflösung nehmen würde,
worauf tatsächlich
im nächsten
Jahr Kohl als Kanzler zurücktrat (oder ist er sogar
abgewählt
worden?).
Mit dem Wahren Helmut verlor Freiburg ein Stück kritischer, lebendiger
Gegenkultur und eine frische und freche Stimme im Alltagstrott,
die das Publikum sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken bringen
konnte. Viele haben das bedauert.
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